Definition „Narkose“
Unter einer Narkose oder Allgemeinanästhesie wird die Bewusstseinsausschaltung, Schmerzausschaltung (Analgesie) sowie Bewegungslosigkeit verstanden. Dazu werden ein oder mehrere Narkosemittel (Allgemeinanästhetika) verabreicht, die im zentralen Nervensystem wirken. Der Patient ist dabei auch durch Schmerzimpulse nicht erweckbar. Eine Narkose geht mit einem Gedächtnisverlust einher (Humanmedizin).
In der modernen Allgemeinanästhesie werden verschiedene Medikamente kombiniert, die als Anästhetika bezeichnet werden. Jede Kombination der Substanzgruppen mittels Injektion und über die Atemluft wird als balancierte Anästhesie bezeichnet (Adams et al. Heutige Anästhesieverfahren – Versuch einer Systematik. In: Anästhesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie. Band 36, 2001, S. 262–267. )
Bei der Anästhesie werden Hypnotika, die zum Bewustseinsverlust führen und Analgetika, die der Schmerzfreiheit dienen unterschieden.
Zu den verabreichbaren Hypnotika zählen unter anderem Propofol, Etomidate, Benzodiazepine und Isofluran. Zu den Analgetika Fentanyl und alternativ Ketamin.
Anästhetika wirken in der Großhirnrinde, am Rückenmark und am Thalamus.
Die Allgemeinanästhesie dient der Toleranz schmerzhafter Eingriffe.
Es finden verschieden Anästhesieverfahren Anwendung:
Inhalationsanästhesie
Die Inhalationsnarkose ist eine der sichersten Narkoseformen. Nicht jeder Tierarzt ist von seiner Ausstattung her dazu in der Lage.
Bei der Inhalationsnarkose wird zunächst über einen Venenkatheter ein kurzwirksames Sedativum, gefolgt von einem Kurznarkotikum wie z.B. Propofol gespritzt. Damit wird das Tier bereits in einen reflexfreien Tiefschlaf versetzt, so dass intubiert werden kann.
Dann wird die Narkose mit einem Gemisch aus einem Narkosegas wie z.B. Isofluran und Sauerstoff fortgeführt, das über den Tubus in die Lunge gelangt und so zusätzlich Schutz vor Verschlucken bietet.
Menge und Art der Narkosemittel werden in jedem Falle individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt und ihre Gabe wird engmaschig überwacht, so dass das Narkoserisiko gering gehalten werden kann. In einem Notfall kann die Narkose jederzeit abgebrochen oder/und der Patient künstlich beatmet werden. Narkosebedingte Komplikationen treten bei der Inhalationsnarkose sehr selten auf!
Nach dem Eingriff ist die Gabe eines Gegenmittels zum Aufwachen nicht nötig, da das Narkosemittel über die Atmung aus dem Körper innerhalb von Minuten ausgeschieden wird. Die Tiere wachen sehr schnell wieder auf und bekommen dann je nach Operation zusätzlich Schmerzmittel verabreicht.
Totalintravenöse Anästhesie
Sowohl in der Tiermedizin als auch in der Humanmedizin findet die Totalintravenöse Anästhesie Anwendung. Sie ist ebenfalls sehr gut steuerbar. Auch hier wird zunächst ein Venenkatheter gelegt, über den stetig kurz wirksame Narkosemittel verabreicht werden. Propofol, das grundsätzlich nur intravenös verabreicht werden kann, kommt hierbei neben anderen Präparaten sehr häufig zum Einsatz – idealerweise über Infusionspumpen und Perfusoren.
Durchführung der Anästhesie
Vor jeder Narkose (Anästhesie) findet eine sog. Prämedikation statt, die eine leichte Sedierung zur Folge hat und vorrangig angstlödend wirken soll (Anxiolyse).
Der Anästhesist / Tierarzt reagiert in der Narkoseführung auf Operationsänderungen. Bei einem starken Schmerzreiz wird die Analgesie vertieft. Die Beurteilung der Narkosetiefe und Steuerung der Medikamentengabe erfolgt durch klinische Parameter wie Herzfrequenz, Atemfrequenz, Pupillengröße, Pupillenreflex, Bewegungsreaktionen. Da keine Muskelrelaxantien eingesetzt werden, kann die Narkosetiefe und damit auch die Schmerzfreiheit durch diese Überwachung sehr gut eingeschätzt werden.
Ebenso werden die elementaren Körperfunktionen (Atmung, Kreislauf, Körpertemperatur, Stoffwechsel, Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt u.a.) des Patienten für die Dauer des gesamten Eingriffes überwacht und durch entsprechende Maßnahmen sichergestellt.
Mittels Infusionstherapie werden Blutverluste und Flüssigkeitsdefizite des Patienten ausgeglichen. Eventuell werden auch Blut oder Blutkomponenten (Plasma) transfundiert. Weiterhin stehen alle wichtigen Medikamente zur Therapie verschiedener Komplikationen (unter anderem Kreislaufstörungen, Verengung der Bronchien, Allergien) sowie Narkosegegenmittel bereit.
Es schließen sich die Narkoseausleitung und die postoperative Überwachung an. Ein zentrales therapeutisches Ziel in der postoperativen Phase ist die Schmerztherapie mittels Schmerzmitteln.
Es existiert eine Leitlinie zur anästhesiologischen Versorgung bei Hund und Katze (VAINS-Leitlinie Anästhesiologische Versorgung bei Hund und Katze, Enke-Verlag 2016)
Dort wird zum Zweck und Verbindlichkeit einer Leitlinie ausgeführt:
„…Leitlinien haben das Ziel, die Qualität der medizinischen Versorgung der Patienten zu verbessern und die gute klinische Praxis (zu) fördern.
Anders als häufig gedacht, sind sie nicht rechtsverbindlich, sondern Orientierungshilfen im Sinne von Entscheidungskorridoren, von denen in begründeten Fällen auf der Basis eines fundierten klinischen Urteils abgewichen werden kann oder sogar muss (Beispiele für mögliche Gründe: Klinischer Befund, aggressives Tier, fehlende Kostenübernahme)…“